Spaziergang über den Friedhof

Es war ein stiller Nachmittag. Über dem Friedhof hing ein grauer Himmel, und die Luft roch nach feuchter Erde. Jonas hielt die Hand seiner Oma. In ihrer anderen Hand trug sie einen kleinen Strauß bunter Blumen. Die Beiden machten einen Spaziergang über den Friedhof.

„Oma, warum kommen wir eigentlich hierher?“ fragte Jonas.

„Weißt du, Jonas,“ sagte die Großmutter, „das ist der Friedhof. Hier liegen Menschen, die gestorben sind – so wie dein Opa. Wir bringen Blumen und denken an sie.“
Jonas sah sich um. Überall standen Steine mit Namen und Blumen.

„Aber was heißt ‚liegen‘? Schlafen die da?“

„Nein,“ sagte die Großmutter. „Wenn ein Mensch gestorben ist, hört der Körper auf zu funktionieren – er atmet nicht mehr, das Herz schlägt nicht mehr. Dann wird der Körper in einen Sarg gelegt.“

„So eine große Kiste, oder?“ fragte Jonas.

„Ja. Der Sarg ist meistens aus Holz. Er gibt dem Körper einen ruhigen Platz. Die Familie kann sich vorher noch verabschieden, wenn sie möchte.“

„Und was passiert dann?“

„Mit der Zeit wird der Körper wieder Teil der Erde,“ erklärte die Großmutter. „Alles, was lebt, kommt irgendwann zur Natur zurück – Pflanzen, Tiere und auch wir Menschen. So entsteht Neues aus Altem.“

Jonas blickte auf die vielen Blumen und den Grabschmuck. „Warum sind da so viele Blumen und Engel und Kerzen“.

„Die Angehörigen möchten über den Tod hinaus, dass das Grab schön aussieht und dass dort Blumen oder Gegenstände sind, die dem Verstorbenen Freude gemacht haben.“

Grabsteine und Kreuze auf einem Friedhof
Grabsteine und Kreuze auf einem Friedhof

„Und warum haben die Gräber Steine mit Namen drauf?“

„Damit man weiß, wer dort liegt,“ antwortete sie. „Oft steht der Name und ein Spruch darauf – etwas, das zu dem Menschen passt.“

Jonas nickte. „Ich finde es trotzdem traurig.“

„Das darf es auch sein,“ sagte die Großmutter. „Aber der Friedhof ist auch friedlich. Hier kann man an jemanden denken, den man lieb hat, Geschichten erzählen oder einfach still sein.“

Nach einer Weile fragte Jonas leise:
„Wenn du mal nicht mehr da bist, Oma, darf ich dann auch dein Grab besuchen?“

Die Großmutter lächelte. „Natürlich, mein Schatz. Du kannst kommen, dich hinsetzen und einfach ein bisschen bei mir sein. Manchmal reicht es, einfach da zu sein.“

„Und wenn ich wieder gehe?“

„Dann nimmst du die Erinnerungen mit. Die bleiben bei dir – egal, wo du bist.“

Jonas fragte leise: „Oma … können auch Kinder sterben?“

Die Oma blieb stehen. „Ja, Jonas. Manchmal passiert das. Aber zum Glück nur selten. Die meisten Kinder werden groß, spielen, lernen und lachen – so wie du.“

„Warum sterben manche Kinder?“„Manchmal sind sie sehr krank oder haben einen Unfall. Das ist sehr traurig. Aber sie werden nicht vergessen. Ihre Familien behalten sie im Herzen.

Kindergrab mit Teddy

„Also sind sie trotzdem irgendwie da?“

„Ja,“ sagte die Oma. „In der Liebe der Menschen, die sie gekannt haben. Liebe verschwindet nicht, auch wenn jemand nicht mehr da ist. Die Liebe bleibt.“

Jonas schwieg. Dann kam ein Sonnenstrahl durch die Wolken.
„Oma?“

„Ja, Jonas?“

„Ich glaube, ich mag Friedhöfe ein bisschen. Sie sind traurig, aber auch schön.“

Die Oma drückte seine Hand. „Das hast du schön gesagt, Jonas. Traurig und schön – so ist das Leben manchmal.“

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